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Bevor ich mich detailliert zur Genealogie des Hauses Jagonburg äußere (diesbezüglich steht leider noch nicht viel - um nicht zu sagen kaum etwas - fest), möchte ich gerne erstmal einige grundsätzliche Fragen aufwerfen und klären.
Konkret geht es mir um die Titel der hier versammelten Herrscherhäuser. Es dürfte schon einigen aufgefallen sein, im Vergleich zum RL haben wir in der Microwelt eine wahre Inflation von Kaisern und Kaiserreichen, was in einem gewissen Gegensatz zu dem Exklusivitätsanspruch steht, den der höchste Herrschertitel in sich birgt.
Ich will damit nun keinesfalls nahelagen, dass einige Häuser und Staaten sich doch bitte zum "Downgrade" entschließen mögen , ich möchte nur anregen, eine schlüssige, historische Erklärung für die heutige Situation zu finden. Falls dies jemandem etwas zu weit ab vom Thema dieser Zusammenkunft erscheint: Ich denke, die Geschichte von Hochadelsgeschlechtern kann man nur schlecht ohne Referenz auf die Geschichte der Länder gestalten, über die sie einst regiert haben oder noch regieren.
Meine bisherigen Überlegungen dazu:
IRL ging die Etablierung des (lateinischen) christlichen Kaisertum auf den Papst zurück, der sich im Jahr 800 gezwungen sah, unter Eindruck der Bedrohung durch äußere und innere Feinde und angesichts der Abhängigkeit von seinem weltlichen Schutzherrn Karl dem Großen diesem die Kaiserkrone aufs Haupt zu setzen.
Ein ganz ähnliches Szenario bietet sich auch für unsere virtuelle Welt an, wenn auch unter leicht anderen Vorzeichen: Unser "Römisches Reich" - Aranien - ist bis zum Ende seiner Existenz heidnisch geblieben und daher um 200-300 n. Chr. untergegangen, weil es den sich ausbreitenden christlichen Glauben nicht zu integrieren und damit in ein stabilisierendes Element für das Imperium zu verwandeln vermochte. Das Christentum war im Gegenteil ein willkommene Anti-Reichs-Ideologie, ein Instrument des Widerstandes für die diversen "barbarischen" Völkerschaften und Stammeskönige überall im aranischen Machtbereich, die nach Unabhängigkeit von der Zentrale in Terrea strebten.
Daraus folgt: Das Kaisertum blieb als ursprünglich heidnische Institution in unserer Welt stets viel stärker umstritten als IRL, die Idee eines universalen christlichen Herrschers fand nie derart großen Widerhall. Ergo, es konnte kein dauerhaftes, mächtiges "Heiliges Römisches Reich" entstehen, wie es IRL wenigstens unter den Ottonen und Saliern existierte, bevor sein langsamer Niedergang einsetzte.
Dennoch war der Titel begehrt, man strebte in den Herrscherhäusern Ost-Anticas danach, um sich eine Legitimation zur Ausweitung seines eigenen Machtbereichs zu verschaffen - was freilich selten dauerhaft gelang.
Seinen Anfang genommen hat das christlich-lateinische Kaisertum auf der "iberischen" Halbinsel, in San Pedro de Valsanto, am Sitz des Papstes: Wie IRL die Päpste zur Zeit der Karolinger, so könnten auch unsere Päpste im Frühmittelalter in Bedrängnis durch äußere oder innere Gegner geraten sein und weltlichen militärischen Beistands bedürft haben. Sie wandten sich dazu wohl an das Fürstengeschlecht, das ihnen einst das Heilige Tal als ständigen Sitz überlassen hatte, die valsassonischen Könige von Colonea. Ein Vertreter aus diesem Hause könnte in den 600er Jahren den Papst dazu genötigt haben, ihm neben dem Titel "Schutzherr des Heiligen Tals" auch noch den einen weitaus größeren Machtanspruch implizierenden Titel eines "Imperator Catholicus" - "Katholischer - allumfassender - Kaiser" - zu verleihen.
Die Nachbarn in Leduveia dürften das nicht gern gesehen haben, und sicher gab es im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen um die Vorherrschaft auf der Halbinsel. Irgendwann könnte ein Papst die Gelegenheit genutzt haben, um sich der Umklammerung durch die coloneischen Könige zu entwinden und durch einen Frontenwechsel hin zu den Leduveiern mehr Freiraum zu verschaffen. Der Kaisertitel ging mit päpstlichem Segen auf die Leduveier über - eine militärische Niederlage der Coloneer besiegelte diese Entwicklung und die Tradition, dass der Kaisertitel nur eingeschränkt erblich war und allein durch Gnade des Papstes verliehen und wieder entzogen werden konnte.
Die Nachfolger Petri hielten damit ein machtvolles weltliches Instrument in Händen: Es oblag allein ihnen, welchen Fürsten sie fomal zum weltlichen Oberhaupt der Christenheit ausersehen wollten. Vor allem ab dem hohen und späten Mittelalter mussten die verschiedenen Herrscherhäuser um die Gunst des Papstes buhlen und diesem beträchtliche Zugeständnisse machen, die weltliche Macht des Papsttums wuchs.
Irgendwann im Hochmittelalter, womöglich zu einer Zeit, als Colonea und Leduveia durch Heirat und Erbe kurzzeitig unter einer Dynastie vereinigt waren und der Bischof von San Pedro seine Handlungsfreiheit durch diese "Einkreisung" gefährdet sah, richtete sich sein Blick bei der Vergabe des Kaisertitels erstmals über die "iberische" Halbinsel hinaus, und er machte erstmals einen mächtigen Fürsten im Norden zum Kaiser, von dem er sich am meisten Hilfe erhoffte: Den König von Freistein - der die Kaiserwürde auch in der frühen Neuzeit (15. Jahrhundert), als das Land vom Haus Marienburg beherrscht wurde, noch einmal erhalten sollte.
Im Laufe des ganzen Mittelalters gab es natürlich auch zahlreiche Interregna - kaiserlose Zeiten - und diverse, kurios anmutende Kaisertümer irgendwelcher Kleinfürsten (in Heroth, Gran Novara, ggf. auch mal in den Hullanden), die alle auf die Lebenszeit des erstmals mit der Kaiserwürde belehnten beschränkt bleiben, da alle diese Fürsten nicht über die notwendigen Machtmittel verfügten, um ihr Kaisertum auch wirksam gegenüber ihrer Umwelt durchzusetzen.
Als Freistein zu mächtig wurde, wurde im 14. Jahrhundert erstmals der Herrscher Imperias mit der Kaiserkrone belehnt, um den aufmüpfigen Nachbarn in die Schranken zu weisen. Damit nähern wir uns aber auch schon der frühen Neuzeit, die den Niedergang des "Katholischen Kaisertums" einleuten sollte. Aus irgend einem Grund verlor Imperia - nachdem die Kaiser 1-2 Jahrhunderte lang aus seinen Reihen kamen - um 1500 die Gunst des Heiligen Stuhls. Das hatte zur Folge, dass der imperianische Herrscher sich der um dieser Zeit in seinen Landen aufkommenden Reformation anschloss, sich vom Valsanto lossagte und eigenmächtig den Titel eines Kaisers annahm.
Es begann eine Epoche der Religionskriege und der Kaisertümer - des katholischen und des reformierten - in Ost-Mittel-Antica, die Ende des 17. Jahrhunderts mit einem dauerhaften Patt endete: Man musste die Kirchenspaltung als realpolitisches Faktum akzeptieren, die Einheit der westlichen Christenheit war dahin, und damit auch die Einheit des Kaisertums.
Im Zuge ihrer kolonialen Expansion könnte der katholische Kaisertitel im 17. Jahrhundert wieder an die leduveischen Herrscher gegangen sein - ihnen traute der Papst aufgrund der Nachbarschaft und des militärischen Potentials am ehesten zu, die Kirche und den Kirchenstaat zu verteidigen. Erloschen ist das Katholische Kaisertum endgültig, als Mitte/Ende des 18. Jahrhunderts barnstorvische Revolutionsheere weite Teile Anticas eroberten und den letzten Träger des Titels zu seiner Niederlegung zwangen. Infolgedessen nahmen auch eine Reihe katholischer Herrscher nach imperianischem Vorbild in Eigenregie einen nationalen, von der Gnade des Papstes unabhängigen Kaisertitel an: So geschehen etwa im heutigen Leduveia.
Die Entwicklung des Kaisertitels in der orthodoxen Christenheit in West-Antica verlief ohnehin vom Papsttum abgekoppelt: Um ihre Ranggleichheit mit den mächtigsten lateinisch-östlichen Fürsten zu dokumentieren, nahmen diverse orthodoxe Herrscher früher oder später den Titel "Zar" an - so in Rusania und in Vesteran.
In jüngster Zeit - innerhalb der letzten 200 Jahre - entstanden dann durch Revolutionen oder andere Ereignisse nochmals oft kurzlebige, jedenfalls traditionslose Kaisertümer - ein Beispiel wäre Nedersassonien, oder auch der Titel der albernischen Könige, "Kaiser von Medea", der sich auf die Kolonialgebiete bezog.
Ich hoffe, diese kleine Abhandlung ist nicht zu langatmig geraten - ich bin eben ein Pedant, was die historische Ausgestaltung anbelangt , und wollte die Frage daher mal aufs Tableau bringen. Die Lücke, die das fehlende "Heilige Römische Reich" in der VL-Geschichtsschreibung hinterlässt, musste früher oder später einfach geschlossen werden.
Wäre schön, wenn meine Idee vom territorial ungebundenen, universellen "Katholischen Kaisertum" Anklang fände - vielleicht könnte man diese Institution dann ja auch detallierter ausgestalten und nach Abgleichung diverser Stammbäume eine Liste von Amtsinhabern erstellen. 
__________________ Eduard Johann von Jagonburg
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05.11.2006 01:30 |
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Anastasia
Kaiserin von Rusania
Dabei seit: 25.10.2006
Beiträge: 112
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06.11.2006 20:57 |
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